Im Sommer 2011 ist die Vorsitzende des Vereins „Initiative Afghanisches Handwerk e.V.“ Frau Shaima Ghafury für einen einmonatigen Aufenthalt nach Afghanistan gereist. In dieser Reise hat sie mit dem seit 2008 Vorort ansässigem Vertreter des Vereins, ihrem Ehemann Herrn N. M. Ghafury, das bereits bestehende Schulprojekt „Homeschools“ in der Provinz Wardak mit einer Spende von 2.500€ aus dem Solidaritätsfond der Hans-Böckler Stiftung für Lehr- und Schulmaterialien fördern können. Mit einer zweiten Spende über 2.500€ vom Freundeskreis der Heinrich-Böll Stiftung wurde das neue Projekt „Erzählcafé“ in Kabul gestartet.
Frauentreffpunk und Erzählcafé
Innerhalb dieser einmonatigen Reise konnte Frau Ghafury viele Eindrücke sammeln. Sie suchte das Gespräch mit verschiedenen Menschen aus unterschiedlichen sozialen Schichten auf. Im Fokus lagen vor allem die Gespräche und die Kontaktaufnahme mit den in Afghanistan ansässigen Frauen. Bedauerlicherweise musste sie feststellen, dass der Großteil der Frauen unglücklich ist. Allerdings gibt es auch emanzipierte und gebildete Frauen aus städtischen Regionen, denen es besser geht und die gegen ihre und der Situation der Frauen vorgehen und Änderungen bewirken wollen. Aber auch für sie wird aufgrund der schlechter werdenden Sicherheitslage und der politischen Atmosphäre die Arbeit erschwert. Hinzukommt, dass für die meisten Machthaber das Bild der Frau einem Gegenstand gleicht. Der tagtägliche Kampf um das Überleben und der Unterdrückung bleibt vielen jedoch nicht erspart. Das Schlimmste an der Situation der Frauen ist, dass sie als Schicksal oder als Wille der Männer tatenlos hingenommen wird. Ihr Leben ist gezeichnet durch Erniedrigung, Beleidigung und Entwertung. Sie sind Analphabeten und ihnen fehlt jeglicher Zugang zur Bildung. Gerade diesen Frauen fehlt auch die Möglichkeit ihr Leid, ihre Schmerzen und ihre Sorgen von der Seele zu reden.
Hierauf anknüpfend hat Frau S. Ghafury, die Vereinsvorsitzende der IAH, in einem Kabuler Viertel Frauen und junge Mädchen angesprochen und das neue Projekt vorgestellt. Sie bewerteten die Idee als „gut“ und teilten ihr Interesse an einer Teilnahme mit.
Abb.1 Kennenlernrunde des Frauentreffpunktes und Erzählcafés
Abb.2 Kennenlernrunde des Frauentreffpunktes und Erzählcafés
Die Idee des Projektes „Erzählcafé“ ist die Ermöglichung und Schaffung einer vertrauten Atmosphäre für die gesprächsbedürftigen Frauen, in der sie sich ungezwungen unterhalten können. Das „Erzählcafé“ soll diesen Frauen eine Abwechslung zum Alltag bieten, sie sollen sich über ihre Erlebnisse und Erfahrungen austauschen und so ihrem Leid und ihren Sorgen ein Gehör verschaffen können. Mit dem Einverständnis dieser Frauen besteht zudem für die Zukunft die Idee, ihren Geschichten internationale Beachtung zu schenken, indem sie aufgeschrieben und dem Verein zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt werden. Doch bevor es hierzu kommen kann, müssen die Frauen gegenseitiges Vertrauen aufbauen, sich Kennenlernen, ihre Gesprächskultur verbessern und erweitern und sich ermutigt und gestärkt für das Erzählen ihrer Geschichten fühlen. Deshalb wurde als Vorstufe ein Frauentreffpunkt organisiert, welches wöchentlich jeden Mittwoch stattfindet. Hierfür wird ein Zimmer in der Wohnung einer Familie zur Verfügung gestellt, das „afghanisch“ mit Matratzen, Teppich und weiteren notwendigen Utensilien ausgestattet wurde. Eine Leiterin, die vom Vereinsvertreter in Afghanistan, Herrn N.M. Ghafury, an die Arbeit und mit dem Umgang von Computer und Internet herangeführt wird, wird mit einem geringen wöchentlichen Honorar für ihre Arbeiten und ihr Engagement entlohnt.
Abb.3 Übergabe der Materialien für das Frauentreffen und Erzählcafé
Nach der Projektvorstellung und dem Gespräch mit den Frauen und nach der Überzeugungsarbeit der männlichen Familienoberhaupte, die in diesem Projekt vor allem Hoffnung für die Zukunft ihrer Töchter sehen, kam es zum ersten Treffen von zehn Frauen und jungen Mädchen am 28.07.2011. Auf die Frage „was an diesem Frauentreffen und Erzählcafé als gut empfunden wird“ antwortete eine Frau „Ich freue mich hier zu sein, weil ich mich zum ersten Mal als ein Mensch mit Würde fühle. Da so eine Frau wie ‚du‘ mir einen Wert zugesprochen und mich eingeladen hat, hier zu sein, um zu zeigen, dass auch ich wichtig bin.“
Bis heute fanden die wöchentlichen Frauentreffen und Erzählcafé-Treffen regelmäßig statt und die Gruppe ist mit weiteren interessierten Mitgliedern gewachsen. Die Frauen bilden eine Gemeinschaft, sie unterstützen sich nicht nur psysisch und in sozialen Fragen, sie erkennen die Bereicherung der Bildung und lernen das Lesen und Schreiben. Nebenbei amüsieren sie sich auch mit leichten Gesellschaftsspielen.
Eine wichtige und notwendige Arbeit wurde durch dieses Projekt begonnen. An dieser Stelle möchte sich der Verein Initiative Afghanisches Handwerk e.V. nochmal im Namen der Frauen und des Vereins herzlich bei dem Freundeskreis der Heinrich-Böll Stiftung und allen weiteren Unterstützern bedanken.
Homeschools
Das Hauptprojekt der IAH sind die „Homeschools“ in der afghanischen Provinz Wardak. Aus dem Grund, dass die Taliban in diesem Gebiet zum Teil an der Macht sind, möchten die NGO’s keine Projekte in Wardak umsetzen. Die Bevölkerung ist somit doppelt betroffen, die Unfähigkeit der Regierung die Taliban-Herrschaft zu bezwingen und das Ausbleiben von Investitionen, Hilfs- und Aufbau-Projekten seitens der NGO‘s. Hier setzt das Projekt „Homeschools“ an. Durch das Projekt werden Mädchen unterstützt, denen die Möglichkeiten zur Bildung aufgrund fehlender Mädchenschulen verwehrt bleibt.
Abb.4 Verteilen der Zahnbürsten für die Schüler der Homeschools und Erklärung des Mikado-Spiels
Abb.5 Lehrer der Homeschools
Die Förderung dieses Projektes durch die Spende aus dem Solidaritätsfond der Hans-Böckler Stiftung kommt den Homeschools zu Gute. Durch das Geld werden langfristige Anschaffungen für die Schulklassen getätigt, die bisher aus finanziellen Gründen dem Verein noch verwehrt blieben. Hierdurch werden die Lernbedingungen für 80 Schülerinnen verbessert, indem sie kleine Tische und Sitzkissen erhalten. Die Lerntische werden bei ortsansässigen Tischlern beauftragt und gefertigt. Zudem werden weitere Lern- und Lehrmaterialien den Schülerinnen und Lehrerschaft zur Verfügung gestellt. Den Kindern wurden zudem Zahnbürsten und Spiele gespendet.
An dieser Stelle möchte sich der Verein IAH e.V. auch herzlich bei der Hans-Böckler Stiftung und allen weiteren Unterstützern bedanken.